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Wenn die Preise heimlich steigen

Stand:
Bereits zum zweiten Mal untersuchte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, ob Energieversorger korrekt über die Erhöhung von Strompreisen informieren. Wie schon im Vorjahr zeigt die Auswertung auch diesmal: Es ist noch viel Luft nach oben.
Stromleitungen vor blauem Himmel
  • Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat zum zweitem Mal Preiserhöhungsschreiben von Stromanbietern überprüft. Wie im Vorjahr ist bei vielen Schreiben die Preiserhöhung gut versteckt
  • Manche Energieversorger machen außerdem falsche Angaben zum Sonderkündigungsrecht
  • Verbraucher sollten das nächste Schreiben ihres Anbieters ganz genau prüfen
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Bereits zum zweiten Mal untersuchte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, ob Energieversorger korrekt über die Erhöhung von Strompreisen informieren. Wie schon im Vorjahr zeigt die Auswertung auch diesmal: Viele Schreiben sind intransparent, mehrere enthalten falsche oder überhaupt keine Angaben zum Sonderkündigungsrecht.

Insgesamt wertete die Verbraucherzentrale bei der zweiten Erhebung 29 Preiserhöhungsschreiben von 27 Energieunternehmen aus, von zwei Anbietern lagen jeweils zwei unterschiedliche Schreiben vor.  

Mit dabei waren auch Anbieter, deren Schreiben bereits im Vorjahr ausgewertet wurden. In Einzelfällen reagierten die Unternehmen auf die Kritik und gestalteten die neuen Schreiben verständlicher und verbraucherfreundlicher. Im Großen und Ganzen waren die Schreiben aber weiterhin mangelhaft: Bei vielen Schreiben war die Preiserhöhung nicht sofort im Betreff und auf der ersten Seite erkennbar, oft wurde auch versucht, Informationen zum Sonderkündigungsrecht zu unterschlagen.  Die Verbraucherzentrale hat daher mehrere Anbieter abgemahnt, um wiederholte oder besonders grobe Wettbewerbsverstöße zu ahnden. Drei der abgemahnten Anbieter haben eine strafbewerte Unterlassungserklärungen abgegeben, zwei Verfahren sind noch offen.

 

Die rechtliche Basis

Wenn ein Stromversorger seine Preise ändert, muss er bestimmte Gesetze einhalten. Je nach Vertragsverhältnis zwischen Kunde und Versorger, gelten in Deutschland die Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) oder das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG):

  • StromGVV: Kunden in der Grundversorgung
  • EnWG: Kunden beim Grundversorger, aber nicht im Grundversorgungstarif; Kunden sonstiger Energieversorger

 

Wie der BGH bereits im Jahr 2013 entschied, haben einzelne aus Verbrauchersicht positive Regelungen der StromGVV Leitbildcharakter (Urteil vom 31.7.2013, AZ VIII ZR 162/09). Deshalb beurteilen wir die Anschreiben der Energieversorger unter den Vorgaben der GVV.

Für die Gestaltung von Preiserhöhungsschreiben ist laut GVV gesetzlich vorgegeben:

  1. Die Energieversorger müssen Kunden rechtzeitig vorab (6 Wochen zuvor), transparent und verständlich auf die Änderung der Preise hinweisen: Umfang, Anlass und Voraussetzungen der Änderung müssen angegeben werden.
  2. Im gleichen Schreiben muss der Versorger auf das Sonderkündigungsrecht des Kunden hinweisen. Mit dem Sonderkündigungsrecht können Verbraucher den Liefervertrag fristlos kündigen, wenn sie mit der Preiserhöhung nicht einverstanden sind.

 

Auswertung der Preiserhöhungsschreiben

Wir analysierten die Mitteilungsschreiben der Stromversorger und prüften, ob sie die Preiserhöhung als solche erkennbar machen, ob ein Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht für Verbraucher enthalten ist und ob ein Datum genannt wird, ab dem die Preiserhöhung gilt. Dieses ist im Zusammenhang mit der Kündigungsfrist wichtig.

Zwei wesentliche Probleme:

  1. Keine klaren Ansagen: Noch immer scheuen sich viele Anbieter, mit einer klaren Information Preiserhöhungen für Energie deutlich zu benennen. Gerne werden relativierende Umschreibungen gesucht, die Rede ist dann von Anpassung, neuer Preis, Preis ab …, aktuelle Information. Selten findet man eindeutige Betreffzeilen, wie „Ihr Strompreis steigt zum …“ oder „Strompreiserhöhung für das Lieferjahr …“.
  2. Wichtige Informationen versteckt: Weiterhin werden die „unangenehmen“ Botschaften gerne auf der zweiten Seite oder auf Folgeseiten platziert. Auf der ersten Seite der Schreiben verbreiten Anbieter gerne „blumige“ Botschaften zu Service-Leistungen oder Klima-Engagement, die nichts mit der Erhöhung zu tun haben.

 

Die Auswertung im Detail

Datum vorhanden?

Positiv: Nur ein Anbieter hat sein Erhöhungsschreiben ohne Datum verschickt und erschwert es damit dem Verbraucher zu überprüfen, ob das Schreiben auch innerhalb der 6-Wochenfrist vor der Erhöhung zugegangen ist.

 

Preiserhöhung erkennbar?

  • Im Betreff

Nur drei Anbieter nannten in der Betreffzeile Ross und Reiter. Verwendet wurden klare Formulierungen, die eindeutig auf eine Erhöhung der Preise hinweisen.

In 17 Schreiben war die Betreffzeile nur bedingt in Ordnung, da oft nur von Preisanpassungen und neuen Preisen gesprochen wurde, nicht aber von einer Erhöhung.

Sechs Betreffzeilen sind nicht in Ordnung, da sie nicht erkennen lassen, was der Anlass des Schreibens ist, in diesen Fällen war oft die Rede von wichtigen Neuigkeiten oder attraktiven Angeboten. Ein Anbieter, von dem uns zwei verschiedene Schreiben vorliegen, verzichtete in beiden generell auf eine Betreffzeile. Eine schnelle Orientierung wird somit verhindert.

  • Im Gesamtduktus

Wichtig für ein verständliches und verbraucherfreundliches Schreiben ist nicht nur die Betreffzeile, sondern auch durch die weitere Gestaltung. Empfehlenswert ist es beispielsweise alten und neuen Preis gegenüber zu stellen, wichtige Passagen mit Preisinformationen farblich oder textlich hervorzuheben (farbliche Hinterlegung, Überschrift oder hervorgehobene Signalwörter).

Bei der zweiten Auswertung untersuchten wir erneut auch, ob die Anschreiben im Gesamt-Erscheinungsbild als Erhöhungsschreiben erkennbar waren. Das grundsätzliche Problem: die wichtige Information zu dem neuen Strompreis ist selten im ersten Absatz zu finden, sondern häufig erst auf der zweiten Seite oder am Ende des Schreibens. Der erste Absatz lenkt oft mit völlig anderen Informationen vom eigentlichen Inhalt des Schreibens ab.

Der Dukus war bei 13 Preiserhöhungsschreiben in Ordnung, oft wurden die Preise gegenübergestellt oder Erhöhungen in fetter Schrift hervorgehoben. Alle anderen Schreiben waren nur bedingt in Ordnung, nicht in Ordnung oder intransparent. Besonders dreist: Zwei Anbieter versteckten ihre Preiserhöhung unauffällig im Fließtext, ein Anbieter versteckte die Information auf der dritten Seite unter der Überschrift „10 Energietipps“.

Beispiel einer Preiserhöhung im Fließtext
So nicht: Die Regionale EnergieWerke GmbH versteckte die saftige Preiserhöhung des Grundpreises um 625 Prozent unaufällig im Fließtext auf der zweiten Seite (Markierung durch die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg)

Das ganze Schreiben der Regionalen EnergieWerke GmbH finden Sie hier zum Download.

Hinweis auf Sonderkündigungsrecht?

Besonders wichtig bei Preiserhöhungsschreiben ist für Verbraucher der deutliche Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht, zu dem Anbieter gesetzlich verpflichtet sind. Denn: Verbraucher können bei einer Preiserhöhung unabhängig von der vereinbarten Vertragsdauer außerordentlich kündigen (StromGVV § 5 Abs. 3, EnWG § 41 Abs. 3).

Zwar weisen die meisten Energieanbieter in den ausgewerteten Schreiben auf das Sonderkündigungsrecht hin, die Art und Weise, wie das geschieht, lässt allerdings oft zu wünschen übrig. Oft ist der Hinweis nur im Fließtext und nicht hervorgehoben, in manchen Fällen wird er sogar mit falschen Informationen verknüpft. So wird beispielsweise mit der Formulierung „Sie müssen keine weiteren Schritte unternehmen, denn die Umstellung erfolgt durch uns automatisch. Sollten Sie mit der Änderung nicht einverstanden sein…“ versucht, vom Sonderkündigungsrecht – das Verbraucher selbst wahrnehmen müssen – abzulenken.  

In drei Schreiben fehlte der Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht komplett, die Preiserhöhung ist damit unwirksam. Dies betrifft in unserer Untersuchung die Anbieter Regionale Energiewerke in Düsseldorf, 4hundred in Starnberg und Enno-energie in Brilon.

Tipp: Sonderkündigungsrecht nutzen
Überprüfen Sie, ob das Preiserhöhungsschreiben deutlich auf Ihr Sonderkündigungsrecht hinweist. Fehlt ein Hinweis bzw. ist der Hinweis nicht erkennbar, ist das gesamte Preiserhöhungsverlangen unwirksam. Der alte Tarif gilt damit weiter. Überzahlungen können zurückgefordert werden. Falls der bestehende Vertrag durch die Erhöhung teuer und damit unattraktiv wird, können Sie bis zum Tag vor der Preiserhöhung (Posteingang beim Energieversorger) schriftlich außerordentlich kündigen.

Auch wenn Verbraucher erst mit der jährlichen Schlussrechnung feststellen, dass Ihnen eine Preiserhöhung untergejubelt worden ist, können sie diese zurückweisen, da die Preiserhöhung unwirksam ist.

Positives Beispiel: Dass es auch besser geht zeigt das Beispiel des Anbieters Greenpeace Energie. Noch in der letzten Preisrunde fehlte die Belehrung zum Sonderkündigungsrecht. Der Anbieter war gezwungen, nochmals ein korrektes Schreiben zu versenden. Man arbeitete mit der Betreffzeile „Neuer Strompreis“! Nun wurde das Schreiben überarbeitet: In der Betreffzeile „Strompreiserhöhung für das Lieferjahr 2020“ erhalten Verbraucher eine klare Auskunft. Auch die Belehrung zum Sonderkündigungsrecht ist textlich und verbrauchernah gelungen. Wenn noch das Wort Sonderkündigungsrecht fett hervorgehoben wäre, könnte man das Schreiben als rundum gelungen bezeichnen.

 

Fazit: Politik stärker gefordert

Die Auswertung der Preiserhöhungsschreiben zeigt erneut, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen nicht ausreichen. So erfüllen zwar viele Anbieter die Mindestvorgaben, indem sie Umfang, Anlass und Voraussetzung der Preisänderung nennen und auf das Sonderkündigungsrecht hinweisen, die Art und Weise wie sie dies tun, ist jedoch oft nicht ausreichend. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg fordert die Politik daher auf, die bestehenden Regeln zu konkretisieren und zu verschärfen:

  • Keine Unterschiede zwischen Grund- und Sonderversorgung: die Regelungen in der Stromgrundverordnung und im Energiewirtschaftsgesetz sollten angeglichen werden, Ziel sollte eine Gleichbehandlung von Kunden in der Grund- und in der Sonderversorgung sein
  • Kein Service-Bla-Bla: Preiserhöhungsschreiben sollten nur noch relevante Informationen zum alten und neuen Preis mit der prozentualen Steigerung enthalten und keine weiteren Service- oder Werbetexte
  • Fett & Farbe statt Fließtext: Informationen zum Sonderkündigungsrecht sollten deutlich erkennbar im Text hervorgehoben werden. Alle wichtigen Informationen, wie Preis, Preissteigerung und die Belehrung zum Sonderkündigungsrecht gehören auf die erste Seite und zwar oberhalb der Grußformel.
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